Digitalisierung in der Supply Chain

Computersysteme und E-Commerce schaffen völlig neuartige Logistikprozesse auf der Supply Side. Vom Internet der Dinge über Automatisierung bis zur Logistik der letzten Meile und weiteren innovativen Lösungen.

Definition und Effekte

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Digitalisierung in der Supply Chain bezeichnet die durch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) hervorgerufene Veränderung von Logistik- beziehungsweise Supply Chain Prozessen. Es wird in diesem Zusammenhang auch von digitaler Transformation beziehungsweise Computerisierung gesprochen. Die Rolle der IKT ist dabei zweifach: Sie können sowohl als Ressource bestehende Logistikprozesse verändern (zum Beispiel Automatisierung) als auch als Treiber bestimmte Logistikprozesse auslösen (zum Beispiel Logistik der letzten Meile im E-Commerce).

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Die Auswirkungen der Digitalisierung in der Logistik liegen einerseits in operativen Einsparungseffekten und Fehlerreduktionen durch Transparenz und Automatisierung, andererseits in strategisch relevanten Wettbewerbsvorteilen durch Individualisierung von Kund:innenwünschen, Flexibilisierung der Lieferkette, verbesserte Ressourceneffizienz und Wertschöpfungspotenzialen durch neue Dienstleistungen. Obwohl die Digitalisierung in der Supply Chain sowohl innerbetriebliche (zum Beispiel Produktionslogistik) als auch zwischenbetriebliche Logistikprozesse (zum Beispiel Wareneingang) optimieren kann, sind die Vorteile dann am größten, wenn sie unternehmensübergreifend entlang der Supply Chain im Rahmen von ECR-Kooperationen genutzt wird.

In diesem Zusammenhang übernehmen 3rd Party Logistikdienstleister oder 4th Party Logistikdienstleister zunehmend wichtige Funktionen in der Logistik, aber auch in der Unterstützung des zwischenbetrieblichen Informationsflusses und der Bereitstellung von Technologien für die intelligente IT-gestützte Logistik.

Innerbetriebliche und zwischenbetriebliche Softwaresysteme in der Supply Chain

Die Digitalisierung in der Supply Chain hat bereits vor Jahren mit verschiedenen innerbetrieblichen und zwischenbetrieblichen Informationssystemen begonnen und ein modernes, unternehmensübergreifendes Supply Chain Management erst ermöglicht. Die in diesem Zusammenhang wichtigsten Systeme sind in der folgenden Tabelle ersichtlich.

Systeme Erläuterung

Enterprise Resource Planning Systeme

Ein ERP-System unterstützt vor allem bei großen Unternehmen die unternehmensinterne Steuerung mit Einbeziehung aller betriebswirtschaftlichen Funktionen wie Beschaffung, Produktion, Verkauf, Marketing, Personalmanagement oder Finanzmanagement. ERP-Systeme bilden das innerbetriebliche Rückgrat, das über Schnittstellen mit speziellen Logistikkomponenten verbunden sein kann.

Warenwirtschaftssysteme

Ein Warenwirtschaftssystem (Warehouse Management Systems) ergänzt ERP-Systeme, indem es operative Logistikprozesse unterstützt und abbildet, darunter Wareneingang, Einlagerung, Lagersteuerung, Kommissionierung, Auslagerung und Warenausgang, aber auch Steuerungs-, Kontroll- und Optimierungsaufgaben in zunehmend komplexen Distributionszentren.

Supply Chain Management Systeme

Supply Chain Management Systeme ermöglichen eine simultane Steuerung von Beschaffung, Materialwirtschaft, Produktion, Transport und Vertrieb und bieten mit Advanced Planning and Scheduling (APS) intelligente Planungssysteme für synchron abgestimmte unternehmensübergreifende Supply Chain Aktivitäten.

Enterprise Application Integration

Unternehmen nutzen zunehmend auch unterschiedliche, auf bestimmte Funktionen spezialisierte Informationssysteme, die mittels Enterprise Application Integration (EAI) beziehungsweise als Web Service integriert sind und gemeinsam komplexe Logistikaufgaben lösen können.

Business Intelligence Systeme

Diese sind eine neuere Entwicklung im Supply Chain Management. Sie nutzen vorhandene große Datenmengen für zuverlässige Nachfrageprognosen.

Cloud Computing

Cloud Computing ist eine Alternative zu allen lokal installierten Softwarelösungen. Dabei werden Informationssysteme dezentral über entfernte Rechenzentren zur Verfügung gestellt und nach tatsächlich erfolgter Inanspruchnahme verrechnet. Gegenstand von Cloud Computing können die IT-Infrastruktur (Infrastructure as a Service, abgekürzt IaaS), Plattformen (Platform as a Service, abgekürzt PaaS) oder Software-Anwendungen (Software as a Service, abgekürzt SaaS) sein. Gerade für Supply Chain Prozesse, die oft dezentral erfolgen und von Nachfrageschwankungen abhängen, werden dem Cloud Computing vielversprechende Effizienzpotenziale zugeschrieben, auch wenn durch die unter Umständen notwendige externe Speicherung wichtiger Daten hohe Sicherheitsanforderungen bestehen.

GS1 Standards

Unter den zwischenbetrieblichen Systemen für das Supply Chain Management sind die Identifikations- und Geschäftsdatenstandards von GS1 einer der wichtigsten Enabler und Treiber der Digitalisierung in der Supply Chain, da sie eine nahtlose Integration des Informationsflusses zwischen den Unternehmen entlang der Supply Chain gewährleisten.

Sonstiges

Weitere internetbasierte zwischenbetriebliche Systeme sind E-Procurement-Systeme, elektronische Marktplätze und elektronische Kataloge für die Lieferantenauswahl sowie elektronische Frachtbörsen für die Vermittlung von Logistikdienstleistungen.

Quelle: Maria Madlberger

Intelligente IT-gestützte Logistik

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Neuere technologische Entwicklungen, die Objekte (wie beispielsweise Waren oder Maschinen), Menschen, Prozesse und Lieferpartner miteinander vernetzen, ermöglichen eine selbstständige und dezentrale Steuerung von Prozessen entlang der Supply Chain. Im deutschsprachigen Raum wird in Anlehnung an den Begriff „Industrie 4.0“ auch von der „Logistik 4.0“ beziehungsweise „Smart Logistics“ gesprochen.

Technisch wird dies durch cyber-physikalische Systeme ermöglicht, bei welchen informatische und software-technische in mechanische und elektronische Komponenten eingebettet sind, die miteinander kommunizieren. Dadurch können sämtliche Objekte, die mit diesen Systemen ausgestattet sind, miteinander kommunizieren, voneinander lernen, selbstständige Entscheidungen treffen oder mittels Sensoren und Aktoren (auch Aktuatoren genannt) auf Umweltbedingungen selbstständig reagieren.

Die Einsatzmöglichkeiten der intelligenten IT-gestützten Logistik sind vielfältig (siehe Tabelle) und daher ist es für alle Unternehmen wesentlich, die Relevanz und Realisierbarkeit der unterschiedlichen Systeme kritisch zu evaluieren. Insbesondere bei zwischenbetrieblichen Anwendungen hängt es zudem vom jeweiligen Partnerunternehmen ab, welche konkreten Anwendungen möglich beziehungsweise wirtschaftlich sinnvoll sind.

Technologie Logistikprozesse
Technologieart Beschreibung Prozesssteuerung Koordination entlang der Supply Chain Kommissionierung Verpackung Bestandsmanagement Transport Letzte Meile Rückverfolgung Interessen der Mitarbeiter
3D-Drucken Herstellung von Objekten durch Drucken Ersetzen von Transporten durch vorort-Herstellung von Standardteilen mittels 3D-Druck
Augmented Reality Computerunterstützte visuelle Darstellung von Informationen zur Ergänzung der Realität Erweiterter Informationsfluss bei freihändigem Arbeiten Erweiterter Informationsfluss bei freihändigem Arbeiten Erweiterter Informationsfluss bei freihändigem Arbeiten Unterstützung der Auslieferung und Warenausgangskontrolle am Lieferort Benutzerfreundliche und motivierende Prozesse, Erhöhung der Sicherheit
Big Data Analyse von großen Datenmengen, die aus Prozessen und Transaktionen hervorgehen Prozesssteuerung aufgrund von Nachfrageprognosen Austausch von datenbasierten Nachfrageprognosen, verbesserte und genauere Basis für ECR-Kooperationen Datenbasierte Nachfrageprognose, nachfragegerechteres Bestandsmanagement Echtzeit-Tourenplanung aufgrund verschiedener Informationen (zum Beispiel Wetter-, Verkehrsdaten) Echtzeit-Tourenplanung aufgrund verschiedener Informationen (zum Beispiel Wetter-, Verkehrsdaten)
Drohnen Ferngesteuerte oder computergesteuerte unbemannte Flugobjekte Überwachung der Logistikinfrastruktur Innerbetrieblicher Transport Unterstützung/Ergänzung der Zustellung, vor allem in verkehrsintensiven und entlegenen Gegenden
Bionische Technik / tragbare Systeme Tragbare computerunterstützte Systeme, die menschliche physische Manipulationen unterstützen (zum Beispiel Exoskelette) Beschleunigung von Tätigkeiten, größeres Tätigkeitsspektrum durch erleichtertes Heben schwerer Lasten Beschleunigung von Tätigkeiten, größeres Tätigkeitsspektrum durch erleichtertes Heben schwerer Lasten Beschleunigung von Tätigkeiten, größeres Tätigkeitsspektrum durch erleichtertes Heben schwerer Lasten Mehr Sicherheit und Ergonomie, Entlastung der Mitarbeiter von gefährlichen und anstrengenden Tätigkeiten
Cloud Logistik Einsatz von Cloud Computing im Supply Chain Management Spezialisierte Prozess- und IT-Unterstützung nach individuellen Bedürfnissen Unterstützung des zwischenbetrieblichen Informationsflusses Spezialisierte Prozess- und IT-Unterstützung nach individuellen Bedürfnissen Spezialisierte Prozess- und IT-Unterstützung nach individuellen Bedürfnissen Spezialisierte Prozess- und IT-Unterstützung nach individuellen Bedürfnissen Spezialisierte Prozess- und IT-Unterstützung nach individuellen Bedürfnissen
Digital Identifiers Systeme zur Identifizierung von Objekten (zum Beispiel Barcodes oder RFID-Tags Eindeutige Identifizierung von Einzelprodukten, Prozessautomatisierung Steuerung und Automatisierung zwischenbetrieblicher Logistikprozesse, Rückverfolgung Automatisierungspotenzial durch eindeutige Identifizierung von Einzelprodukten Automatisierungspotenzial durch eindeutige Identifizierung von Einzelprodukten Automatisierungspotenzial durch eindeutige Identifizierung von Einzelprodukten Automatisierungspotenzial durch eindeutige Identifizierung von Einzelprodukten Automatisierungspotenzial durch eindeutige Identifizierung von Einzelprodukten Automatisierungspotenzial durch eindeutige Identifizierung von Einzelprodukten Weniger papiergebundener Informationsfluss
Internet der Dinge Ausstattung von Objekten mit eingebetteten Computersystemen, die über das Internet miteinander kommunizieren Identifizierung und Steuerung von Einzelprodukten, Prozessautomatisierung, selbststeuernde Systeme Dezentrale Steuerung von Warenflüssen, Umdisponierung Automatisierungspotenzial, Ware-zu-Mann-Kommissionierung Automatisierungspotenzial, Ware-zu-Mann-Kommissionierung Echtzeit-Information über Warenbewegungen Echtzeit-Information über Aufenthaltsort von Waren und Ausnutzung von Transportmitteln Automatischer Warennachschub bei Konsumenten, Echtzeit-Information über Aufenthaltsort von Waren Eindeutige Identifizierung von Einzelprodukten, Echtzeit-Information über Aufenthaltsort von Waren Erhöhung der Arbeitssicherheit, Reduktion von Wegstrecken
Sensortechnologien Mit Computersystemen verbundene Sensoren, die zum Beispiel Umweltfaktoren wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Distanz zu anderen Objekten wahrnehmen und weiterleiten Selbststeuernde Systeme, Prozessautomatisierung Qualitätssicherung/Überwachung des Zustands von transportierten Produkten Prozessunterstützung mittels Smartphones/Tablets Prozessunterstützung mittels Smartphones/Tablets Überwachung des Zustands von gelagerten Produkten (zum Beispiel Kühlkette) Prozessunterstützung mittels Smartphones/Tablets, Überwachung des Zustands von transportierten Produkten (zum Beispiel Kühlkette) Prozessunterstützung mittels Smartphones/Tablets, Überwachung des Zustands von transportierten Produkten (zum Beispiel Kühlkette)
Robotik und Automatisierung Computergesteuerte automatisierte Interaktion von Maschinen mit der Umwelt auf der Basis von Sensoren, Aktoren und Informationstechnologie Automatisierung bereichs- und unternehmensübergreifender Logistikprozessesse durch selbststeuernde Systeme Automatisierung der Kommissionierung, Ware-zu-Mann-Kommissionierung Automatisierung der Verpackung Automatisierung von Ein-/Auslagerungsprozessen Automatisierung der Be- und Entladung, Automatisierung des Transports Automatisierung des Sortierens zuzustellender Waren im Lieferfahrzeug, Automatisierung der Zustellung, Unterstützung bei schweren Waren Mensch-Roboter-Kooperation, Entlastung bei monotonen, gefährlichen und/oder anstrengenden Tätigkeiten
Selbstfahrende Fahrzeuge Fahrzeuge wie Gabelstapler oder LKW, die sich durch Sensoren und Bilderfassungstechnik selbstständig fortbewegen können Automatisierung des Warenflusses innerhalb und zwischen Distributionszentren Automatisierung des Warenflusses innerhalb und zwischen Distributionszentren entlang der Supply Chain Automatisierung der Kommissionierung, Ware-zu-Mann-Kommissionierung Automatisierung von Ein-/Auslagerungsprozessen Automatisierung des Transports Automatisierung der Zustellung Automatisierung bei Rückholtransporten Reduktion von innerbetrieblichen Transporten durch Mitarbeiter, Autopilot für LKW-Fahrer
Selbstlernende Systeme Systeme, die sich ohne menschliches Zutun an die Umgebung anpassen und mit zunehmend verfügbaren Daten ihre Algorithmen und damit ihre Leistung verbessern Erfassung, Plausibilitätsprüfung und Kontrolle von Daten (zum Beispiel aus Sensoren, Big Data), Handschrift- und Spracherfassung Verbesserte Prognosedaten, die in der Supply Chain geteilt werden können, verbesserte und genauere Basis für ECR-Kooperationen Vorkommissionierung aufgrund von Nachfrageprognosen Verbesserung von Nachfrageprognosen, nachfragegerechteres Bestandsmanagement Vorzeitige Tourenplanung aufgrund von Nachfrageprognosen Vorzeitige Tourenplanung aufgrund von Nachfrageprognosen Automatisierung von Routine-Kundeninteraktionen, Konzentration auf persönliche Interaktion bei komplexeren Fällen
Telematik Verbindung von Telekommunikation und Informatik, zum Beispiel zur drahtlosen Übertragung von Daten zwischen einem LKW und einem Distributionszentrum Prozesssteuerung in Echtzeit Austausch von Statusinformationen zu Warenlieferungen in Echtzeit Drahtlose Übertragung von Statusinformationen während des Transports, Unterstützung der Routenplanung Drahtlose Übertragung von Statusinformationen während des Transports, Unterstützung der Routenplanung Drahtlose Übertragung von Statusinformationen an jedem Punkt der Supply Chain

Quelle: Adaptiert von Kückelhaus und Schöpker

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Ein Beispiel für intelligente IT-gestützte Logistik:
Internet der Dinge

Ein Beispiel für cyber-physikalische Systeme, die eine Automatisierung ermöglichen, ist das Internet der Dinge (Internet of Things). Dabei werden unterschiedliche Objekte mit eingebetteten Computersystemen ausgestattet, die über das Internet kommunizieren können (siehe Abbildung). In der Logistik können dadurch Transporteinheiten (zum Beispiel Paletten, Kartons, Rollcontainer) und Fördertechnikelemente (zum Beispiel Gabelstapler, Förderbänder, Kommissioniersysteme) untereinander sowie mit Softwaresystemen (zum Beispiel Datenaustauschplattformen, Verkehrsleitsystemen, Schnittstellen zu ERP- oder Warenwirtschaftssystemen) kommunizieren.

Mit Sensoren ausgestattete Fördertechnikelemente können dabei Umgebungsfaktoren (zum Beispiel sich nähernde Objekte, Temperatur) wahrnehmen und eine Reaktion beziehungsweise Weiterleitung von Informationen an andere Objekte veranlassen. Ebenso können Aktoren (zum Beispiel Antriebssteuerungen bei Fördertechnikelementen) aufgrund von sensorisch wahrgenommenen oder mittels Internet der Dinge übermittelten Informationen Bewegungen durchführen (zum Beispiel einem entgegenkommenden Objekt ausweichen).

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Die letzte Meile im E-Commerce

Eine der stärksten Veränderungen brachte die Digitalisierung mit dem elektronischen Handel (Electronic Commerce oder E-Commerce). Unter E-Commerce wird der Austausch von Gütern und Dienstleistungen über Rechnernetze, insbesondere das Internet, verstanden. Je nach Art der beteiligten Geschäftsbeziehungen gibt es zwei Formen:

  • E-Commerce-Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen (Business-to-Business, B2B)
  • E-Commerce-Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen und Konsumenten (Business-to-Consumer, B2C)

Beim E-Commerce B2C kommt dem Electronic Retailing, also dem Einzelhandel mit Produkten über das Internet, eine besondere Bedeutung zu. Hier ist der Einfluss auf die Logistik besonders groß, da durch den Entfall des physischen Geschäftes die Versorgung der Konsument:innen mit den bestellten Waren durch den Online Händler gewährleistet werden muss. Damit stellt sich das Problem der Lieferabwicklung (Fulfillment) auf der letzten Meile (Last Mile).

Die letzte Meile umfasst die Planung, Steuerung und Kontrolle der Transport- und Auslieferungsprozesse unmittelbar vor der Zustellung an den Konsument:in und stellt damit die Feinverteilung der Waren an die Konsument:innen dar. Die letzte Meile ist durch eine hohe Zahl von räumlich verstreuten und veränderlichen Lieferpunkten und eine geringe Liefermenge pro Lieferpunkt gekennzeichnet.

Die folgenden Abbildungen zeigen einen Vergleich zwsichen der relativ einfachen Lieferabwicklung bei physischen Geschäften (Filialbelieferung) und der komplexen Lieferabwicklung auf der letzten Meile im E-Commerce (Hauszustellung).

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Merkmale der Filialbelieferung

  • Optimierter Standort des Distributionszentrums
  • Überschaubare Anzahl an konstanten Filialstandorten
  • Große Liefermengen
  • Regelmäßige und planbare Zustellzeiten
  • Gesicherte Anwesenheit von Mitarbeiter:innen in den Filialen für die Warenübernahme
  • Keine direkte Auswirkung der Lieferung auf die Kundenzufriedenheit
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Merkmale der Hauszustellung

  • Nur teilweise optimierbarer Standort des Distributionszentrums
  • Große Zahl an Lieferpunkten
  • Wechselnde Verteilung der Lieferpunkte
  • Kleine und wechselnde Liefermengen
  • Unregelmäßige und nur kurzfristig planbare Zustellzeiten
  • Keine gesicherte Anwesenheit des:der Besteller:in für die Warenübernahme
  • Direkte Auswirkung der Lieferung auf die Kundenzufriedenheit
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Die Gestaltung der Lieferabwicklung auf der letzten Meile ist eine strategische Entscheidung mit hoher Relevanz für die Kundenbeziehung des Online Händlers, da sich bei der Belieferung ein direkter Kontakt zum E-Commerce-Kunden und zur E-Commerce-Kundin ergeben kann. In diesem Zusammenhang spielen Logistikdienstleister wie die Post oder Kurier-/Paket-/Expressdienste eine zentrale Rolle.

Die Abbildung fasst die wichtigsten Entscheidungsparameter im Zusammenhang mit der Lieferabwicklung auf der letzten Meile zusammen. Handelsunternehmen, die sowohl stationäre Geschäfte als auch E-Commerce in Form eines Online Shops beziehungsweise einer Bestellmöglichkeit mittels mobiler Endgeräte betreiben, können als Mehrkanalhändler (Multi-Channel Retailer) die stationäre Infrastruktur inklusive der Filialen für die Logistik der letzten Meile nutzen.

Kommissionierungsformen

Die folgenden Abbildungen skizzieren die unterschiedlichen Kommissionierungsformen und zeigen ihre jeweiligen Vorteile und Herausforderungen für den Handel auf.

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Filialkommissionierung

Kommissionierung: Direkt von den Regalen der Filiale

Automatisierungspotenzial: Gering, manuell

Integration zwischen den Kanälen: Nicht möglich

Vorteile:

  • Volles Produktangebot innerhalb bestehender Strukturen
  • Expansion ohne neue Logistikstandorte
  • Räumliche Nähe zu den Kunden und Kundinnen

Herausforderungen:

  • Zusätzliche Logistik und Warennachschub für den Online Shop in der Filiale
  • Beschränkter Platz für Kommissionierung
  • Ladenlayout für Kommissionierung ungeeignet
  • Geringe Bestandstransparenz
  • Störung der Kunden und Kundinnen während der Kommissionierung
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Eigenes Online Distributionszentrum

Kommissionierung: In einem eigens vorgesehenen Online Distributionszentrum

Automatisierungspotenzial: Abhängig von Größenordnung des Online Shops

Integration zwischen den Kanälen: Nicht möglich

Vorteile:

  • Optimierung für Kommissionierung
  • Skalierbarkeit auf größere Volumina
  • Bestandstransparenz im Online Handel
  • Geringere Transportdistanz zum Kunden und zur Kundin

Herausforderungen:

  • Hohe Fixkosten
  • Keine Integration des Bestands und Kapazitätsmanagements zwischen den Kanälen
  • Zusätzlicher Wareneingang und Handlingkosten vom Lieferanten oder dem Zentrallager
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Reguläres Distributionszentrum

Kommissionierung: In einem / mehreren regulären Zentral- / Regionallägern des stationären Handels

Automatisierungspotenzial: Manuell, halbautomatisch und vollautomatisch möglich, abhängig von der bestehenden Infrastruktur

Integration zwischen den Kanälen: Möglich

Vorteile:

  • Flexibles Kapazitätsmanagement zwischen den Kanälen
  • Geringere Investitionskosten
  • Größendegression
  • Kurzfristiges Umdisponieren von Beständen möglich
  • Synergieeffekte

Herausforderungen:

  • Größere durchschnittliche Distanz zum Kunden und zur Kundin
  • Anpassung des Kommissioniersystems für die Integration im regulären Lager erforderlich
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Neben dem Kommissioniersystem muss der Handel auch die Belieferungsform gestalten. Dabei ist zu beachten, dass diese vom:von Konsument:in wahrgenommen wird und damit dessen Erwartungen zufriedenstellen muss. Weiters kann der Handel dem:der Konsument:in die Möglichkeit der Sendungsverfolgung am Computer beziehungsweise Smartphone anbieten und auf diesem Weg die Lieferung beziehungsweise Abholbereitschaft der Ware ankündigen. Die Abbildung gibt einen Überblick über die wichtigsten Belieferungsformen und deren Besonderheiten.

Je nach Branche kann der Abwicklung von Retouren eine große Bedeutung zukommen. Während sie bei Lebensmitteln naturgemäß gering ist, hat der E-Commerce in der Bekleidungsbranche erst durch großzügige Umtausch- und Retournierungsmöglichkeiten der Online Händler an Umsatz gewonnen.

Im Zusammenhang mit der Logistik der letzten Meile werden insbesondere Automatisierungspotenziale durch die intelligente IT-gestützte Logistik (wie selbstfahrende Fahrzeuge, Lieferroboter oder Drohnen) angestrebt.

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Weiteres Video:

Billa Online Shop Tutorial

Ausblick: Wohin geht die Reise?

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Die Digitalisierung in der Supply Chain stellt Handel, Industrie und Dienstleistungsunternehmen vor neue Herausforderungen, schafft jedoch auch wichtige Instrumente, um gegenwärtige und zukünftige Anforderungen besser zu erfüllen:

  • Zunehmende Verfügbarkeit und Transparenz großer Datenmengen macht zwischenbetriebliche ECR-Kooperationen und Datenaustausch zu noch wichtigeren und effektiveren Wettbewerbsfaktoren.
  • Die Digitalisierung eröffnet Handel und Industrie neue Möglichkeiten der Differenzierung und Positionierung bei den Konsument:innen.
  • Elektronische „Hausaufgaben“ wie ein durchgängiger EDI-gestützter Informationsfluss, ein elektronisches Stammdatenmanagement und die lückenlose Produktidentifikation mittels GTIN werden zunehmend zu einer Selbstverständlichkeit.
  • Traditionelle Lieferketten werden vermehrt zu Supply Chain Netzwerken, in denen unterschiedliche Firmen, darunter Logistikdienstleister und IT-Spezialisten, zentrale Aufgaben im Supply Chain Management übernehmen.
  • Die Digitalisierung hilft Handels- und Industriefirmen, sich besser auf künftige Herausforderungen vorzubereiten – wie neue Internet-basierte und mobile Geschäftsmodelle, fortschreitende digitale Vernetzung von Unternehmen, Konsument:innen, öffentlichen Einrichtungen und Produkten, ökologische Herausforderungen und Klimawandel, demographische Entwicklungen sowie Sicherheit.
  • Wie jede andere Technologie ist die Digitalisierung in der Supply Chain kein Selbstzweck, sondern unter wirtschaftlichen, sicherheitstechnischen und ethischen Gesichtspunkten einzusetzen, sodass sie zu einem maximalen Nutzen für alle Stakeholder führt.

Autorin: Maria Madlberger